Monat: Dezember 2016

Summa summarum

Abschied: der Versuch, einer Gegenwart die Zukunft abzusprechen.
Erinnerung: die List, mit der sich Vergangenes wieder in die Gegenwart schleicht.
Wiederholung: die Zukunft hat sich der Vergangenheit bemächtigt.

Augen wischen

Die einzig sinnvolle Form, in die Zukunft zu schauen, ist, auf unsere Möglichkeiten zu blicken.

Mehr dazu heute in SWR 2, 17:05 Uhr im „Forum“ eine Stunde Gespräch über die Macht der Zuversicht unter dem kühnen Titel: „Alles wird gut„. 

Auweia

Peinlichkeit ist nichts, was einer Rede selber anhaftet, sondern deren Raum- und Zeitbestimmung. Unangenehm berührt, wenn ein Satz zur Unzeit fällt oder am falschen Ort gesprochen wird. Je allgemeiner ein Gedanke, desto geringer die Gefahr, dass er beschämt. Theorien sind Instrumente, einer Gewissheit ihre Verlegenheit zu nehmen.

Wir Täter

Wider allen Augenschein ist Lassen selber ein Tun.

Zwischen den Jahren

Im Niemandsland der Zeit lässt sich das Alte noch einmal wertschätzen, ohne dass das Neue schon zur Eile drängt. Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr taugen – wenn schon nicht dauerhaft als Vorbild für den Umgang mit Zeit, so wenigstens – als heilsame Unterbrechung im natürlichen Gang der Dinge. Gelassenheit ist letztlich aus der atemlosen Einsicht gefolgert, dass uns das Ideal der Gleichzeitigkeit à la longue überfordert.

Schreib doch mal

Jenseits des Schreibens: klar, die Leser. Vor allem aber all jene Gedanken, die sich geklärt haben, indem sie zu Papier gebracht wurden.

Das Wort wohnt mitten unter uns

Ein Wort, das alle meint? Nichts ist abstrakter. Ein Wort, das jeden anspricht? Nichts ist allgemeiner. Ein Wort, das ohne Ausnahme gilt? Nichts ist prinzipieller. Die große Kunst einer Weltreligion ist, für alle, zu jedem ohne Ausnahme dasselbe zu sprechen, ohne dass es abstrakt, allgemein und prinzipiell wird. Das gelingt nur über Geschichten, deren Zauber nicht in ihrer Größe, sondern in ihrer Unscheinbarkeit liegt.

Fast unmenschlich

Bevor sich auf das Fest wieder der Edelkitsch süßer nie klingender Glocken legt – das Wort der Weihnacht ist ein fast unmenschliches, das den Anspruch erhebt, das menschlichste von allen zu sein: die Verheißung, dass Versöhnung nur gelingt, wenn der Verzeihung vor der Vergeltung Raum gewährt wird.

Einmal werden wir noch wach

Weihnachtsfest im Weihnachtsstress: die Erfahrung, dass Erlösung viel mit Erleichterung zu tun hat.

Sammelklage gegen den Egoismus

Seltsam, dass ein Wort, das einst dem Gemeinsinn entstammte, nur noch das Eigeninteresse ausdrückt: Da handelt einer „politisch“, das bezeichnet eine Denkungsart, der es um Machtbesitz, Intrigenspiel, den nächsten Karriereschritt, um Anpassungszwänge oder einen persönlichen Vorteil geht.

Selbstdistanz

Die anthropologische Voraussetzung für Frieden und Versöhnung: fähig zu sein, sich von sich selbst zu distanzieren.

Wozu wir fähig sind

Wohl nie lässt sich von digital gesteuerten Maschinen mit künstlicher Intelligenz reproduzieren, was wir Trost nennen: jene Hilfe, die möglich ist, obwohl wir nicht mehr helfen können. Er ist das Menschliche am Menschen.

Was steckt dahinter?

Ein Wort, das immer überladen erscheint: Bankgeheimnis. Was könnte es anderes offenbaren als einen notorisch leeren Kontostand? Wenn die Kreditwirtschaft sich nicht selber ohne Not um ihre Glaubwürdigkeit gebracht hätte, könnte sie dem Geld sogar Geheimnisvolles noch abgewinnen. So abstrakt das Geld ist, so tauglich als Symbol für Großes: für Freiheit und Sicherheit, Vertrauen und Lebenschance, Kraft und Macht, Gleichheit und Grenzenlosigkeit. Nichts in dieser Welt vereint mehr Talente (auch die waren der Name für eine Währung).

Die traurige Geschichte vom Weihnachtsbaum

Miteinander reden

Der Weihnachtsmann kommt direkt vom Coaching:

Wurzelwerk

Es gibt eine heimliche Beziehung zwischen dem Wasser und der Bewegung, die sich nicht nur metaphorisch erschließt, weil eine Sache im Fluß sei. Sondern anthropologisch: Wo das Wasser ist, kommt der Mensch zur Ruhe und kann sich niederlassen; wo das Wasser fehlt, muss er aufbrechen und sich auf den Weg machen.

Kompromittierende Kompromisslosigkeit

Was im Handeln der Kompromiss ist, bedeutet im Denken der logische Schluss. Und in der Moral, die ein Denken des Handelns sein will? Da scheint die Zwischenform zu fehlen. Es gibt wenig, was gegen das Moralische spricht; eines indes bringt sie zu Fall: ihre Unversöhnlichkeit.

Mehr sehen

Die Zuversicht unterscheidet sich vom blinden Vertrauen durch das genaue Hinsehen. Beide verlassen sich nicht auf das, was unmittelbar vor Augen liegt. Doch während dieses den Fortschritt einer Sache von außen erwartet und nach der Maxime vorgeht „Augen zu und durch“, schafft sich die Zuversicht eine neue Perspektive, indem sie das Handeln orientiert am Leitmotiv: „Augen auf für das, was sich erst im zweiten Blick erschließt“.

Geometrie der Wirtschaftswissenschaft

Wirtschaftswissenschaft, eine Kreuzung aus Betriebsanalyse und analytischer Betriebsamkeit: Wo die Wirtschaft Weite sucht, verlangt die Wissenschaft nach Tiefe; wo die eine sich horizontal über Größenverhältnisse definiert, bohrt die andere vertikal, um den letzten Grund zu finden.

Nur das eine

Die Schwachstelle der Begeisterung ist ihre Stärke: dass sie eine Sache verabsolutieren kann. Ideologie: das Missverständnis, die Begeisterung für eine Sache zur moralischen Pflicht zu erheben.

Familiensinn

Weil sie der soziale Hort der Beständigkeit ist, versinnbildlicht die Familie auch den Ort gepflegter Langeweile. Nicht immer ist leicht zu identifizieren, ob einer im Kreis seiner Lieben aus ideeller Ermattung gähnt oder im Gefühl selbstverständlichster Geborgenheit.

Bilanz ziehen

Im Unterschied zur wirtschaftlichen Bilanz, in der wir das Ergebnis einer Entscheidung entwickeln, ist die erzählerische Bilanz der Versuch, die Entwicklung einer Sache durch die getroffenen Entscheidungen nachzuvollziehen. Wir haben gelernt, Geschichten zu gebrauchen, weil wir dem Scheitern einen Sinn geben mussten.

Die geglückte Wiederholung

Nur das, was wir gern hören und sehen, verträgt die Wiederholung, ohne fad zu werden. So gilt es im Privaten wie im Politischen. Der künstlerische Kniff, dasselbe noch einmal ganz anders erscheinen zu lassen, unterschätzt die Unterhaltungsbedürftigkeit des Publikums. Und dessen Intelligenz. Je aufmerksamer und ablenkungsbereiter sie ist, desto stärker wächst die Lust am Experiment. Gute Erfahrungen sind keine Garantie, dass nicht neue Erfahrungen gesucht werden. Eher im Gegenteil: Nicht selten scheitert eine Sache, weil sie nicht mehr verspricht, als dass man sich auf sie verlassen könne. Das verzeiht man ihr nicht.

Mit den Pfunden wuchern

Es gehört zu den schwierigen Übungen in einer Biographie zu entdecken, welche Talente wofür tauglich sind und worin die Aufgaben bestehen, die diesen Gaben beigeordnet sind. Viel von dem, was einen Lebenssinn auszeichnet, hängt ab vom Verständnis, dass jede individuelle Anlage, jede Fähigkeit sich in dem Maße entwickeln lässt, wie sie für andere eingesetzt wird.