Monat: Februar 2017

Die helle Seite

Wenn man aus dem korrumpierten politischen Handeln dieser misslichen Tage – offene Lügen, neurotische Weltwahrnehmung, hysterische Anschuldigungen, dogmatistische Positionen – etwas Aufmunterndes ziehen wollte, dann dies: Wir sind aufgefordert, uns einiger Grundgewissheiten wieder zu versichern. Was verdient, Wahrheit genannt zu werden? Worin unterscheidet sich eine Meinung von einer Überzeugung? Wodurch ist ein Argument ausgezeichnet? Warum und auf welche Art können Gründe zwingen? Wie gelingt kritisches Denken? Diese Fragen und ihre Erwiderungen ordnen das Reden, das als ein strukturiertes fähig ist, einer freien Gesellschaft Stabilität zu verleihen.

Fluchtgedanken

Volkszählung im Zug, ein älterer Herr mit Fragebogen machte die Runde. „Dürfte ich mal Ihren Fahrschein sehen?“ sagte er höflich und entschuldigte sich sogleich: Er sei nicht der Kontrolleur, alles nur für die Statistik. Der Gast zückte routiniert seine schwarze All-inclusive-BahnCard, Vielfahrer auf langer Strecke. „Wohin soll’s denn gehen?“ wollte der Mann der Daten wissen. Da ertönte aus dem Bordlautsprecher die Stimme des Zugchefs: „Wir erreichen nun Frankfurt-Fluchthafen.“ Der sinnreiche Versprecher formte die Antwort. „Ich bin auf der Flucht“, flüsterte der Reisende, „und deswegen muss ich hier raus.“ Verdutzt schaute ihm der dienstbeflissene Interviewer nach. „Nur noch diese eine Angabe, bitte. Dann kann ich den Fragebogen abschließen.“ Schon beim Ausstieg wandte sich der Fahrgast noch einmal um. „Wissen Sie, was das Elend all dieser Erhebungen ist? Die Statistik zerstört die Neugier. Und damit die Lust aufzubrechen. Wohin es gehen soll? Ich verrate es Ihnen: Mein einziges Ziel ist, nicht stehenzubleiben.“ Sprach’s und verschwand.

Ohne Wenn und Aber

Keine Redeformel ist realitätsfremder als jene, die ein Wort verpflichten will „ohne Wenn und Aber“. Alles geschieht unter Bedingungen, nichts uneingeschränkt. Dafür sorgt letztlich die Zeit, die morgen radikal in Frage stellen kann, was heute noch selbstverständlich gilt. Was ernsthaft „wirklich“ genannt zu werden verdient, dem sind Grenzen gesetzt, die ihm eine Form geben; es lebt von seinen Verneinungen (dem, was es nicht auch noch sein kann), damit es eine wahrnehmbare, begreifliche, leicht zu fassende Gestalt bekommt.

Lass gut sein

Es gehört wesentlich zur Macht, dass neben ihrem Vermögen, dieses zu beschließen und jenes auszuführen, die Kraft besteht, dies und das sein zu lassen. Das allerdings setzt ein Talent voraus, das jede Herrschaft allererst mit der vorsichtigen Hoffnung erfüllt, sie könnte sich klug entwickeln: die Gabe der Selbstbeherrschung.