Monat: August 2017

Die alte Alternative

Was den Menschen früher die Ur-Alternative gewesen ist, die zu beachten ihnen das Leben gerettet hat: zu erkennen, wann ein Angriff sinnvoll und wann Flucht geboten ist, findet sich wieder in der Differenz zwischen Leidenschaft und Gleichgültigkeit, dem Unterschied zwischen Neugier und Desinteresse. Mit nichts lassen sich tiefe Ängste leichter überwinden als mit leidenschaftlicher Neugier.

Eins, zwei, uneins, entzweit

Seltsam, dass wir Menschen uns so oft einig sind in dem, was wir ablehnen, und nicht selten zerstritten in dem, was uns verbindet.

Die Banalität des Business: Wo am Ende nur die Einnahmen zählen, kommt alles darauf an, den gemeinsamen Nenner zu finden. In Verona locken globale Fragen in die Lokale

Das ideale Leben

Die ideale Lebensform: Es glückt. Was Freud zum Kernsatz seiner Psychoanalyse erhebt: dass das Ich die Ansprüche des Es konstruktiv begrenzen soll, verkennt die Tiefendimension dessen, was nicht bloß subjektiv und bewusst, triebgesteuert oder chaotisch ist. Nicht Herrschaftsverhältnisse bestimmen das Gelingen des Daseins, sondern Stimmigkeiten. Was ist befriedigender als ein Augenblick, in dem das Ich zurücktreten kann und nicht einschreiten muss, weil es läuft?

Stein auf Stein

Der wichtigste Werkstoff beim Bau eines Hauses: langer Atem.

Entkoppelung

Es steckt eine gehörige Portion Romantik im Gebrauch der alten Drohung, dass die Strafe auf dem Fuße folge. Wo die Konsequenzen sich von den Handlungen gelöst haben, durch die sie heraufbeschworen wurden, lässt sich Verantwortung nicht erleben. Was nützt es, Grenzen (etwa des Eingriffs in die genetische Struktur menschlicher Embryonen) aufzuzeigen, wenn unmittelbar deutlich ist, dass die Sache viel zu komplex ist, um Effekte zurückzuführen auf eine Manipulation des Erbguts. Tun-Ergehen-Zusammenhänge stammen aus einer Welt, die sich Abhängigkeit noch vorstellte als Verhältnis von Ursache und Wirkung. Bevor nach der Ethik gerufen wird, gilt es die Theorie zu überdenken, nach der Folgen zu beurteilen sind.

Große Verbote

„Es gibt kein großes Glück ohne große Verbote“, so stimmt Robert Musil sein Hohelied an auf die Grenze, die es zu achten und zu überschreiten gilt, gleichermaßen.* Was aber ist mit dem kleinen Glück der Zeitgenossen, jener scheinelitären Form des gelingenden Lebens, die sich irgendwo zwischen den Staudenblüten eines städtischen Natursteingartens, dem Genuss von Edel-Gin aus der einheimischen Hof-Destillerie und der heimlichen Verachtung von Hornbrillen aus dem 3D-Drucker einfindet? Es braucht keine Verbote und keine Regel, weil es sich weniger aus der Nichtachtung einer Norm nährt als aus dem Gefühl einer Besonderheit, die schon deswegen keine ist, weil sie zum Kult geworden ist. Das Ästhetische ignoriert die Grenzen nur, die das Moralische noch einreißen musste.

* Der Mann ohne Eigenschaften, Kap. 106

Quelle aller Querelen

Der Grundkonflikt, auf den sich der Ärger, den Menschen einander zufügen, zurückführen lässt: der eine will ständig darüber reden; der andere würde am liebsten über alles schweigen.

Heute so, morgen so

Das Talent zu schnellen Entscheidungen ist oft nichts als die Unfähigkeit, feste Bindungen einzugehen.