Abschied und Willkommen

Viel lässt sich über Ängste lernen durch die Art, wie Menschen einander verabschieden. Wo der eine sich einfach auf dem Absatz grußlos umdreht, muss der andere einem „Tschüs“ noch ein zweites und drittes hinterherrufen. Hier die lautstarke Szene, dort das besonnene letzte Gespräch, da die nüchterne Bilanz einer von sich selbst erschöpften Beziehung. Der Abschied ist die Urszene des Menschen; und in ihm zeigen sich unsere Urängste. So tritt er in die Welt. Gerade aus der Mutterhöhle herausgepresst, wird die Nabelschnur durchschnitten. Lebensanfang und das Ende der ersten Symbiose fallen zusammen. Es ist die große Kunst, dies jedesmal zu erinnern, wenn ein Adieu ansteht: dass es wieder und wieder auch der Beginn von Neuem ist. Im Kuss, vor der letzten Intimität die innigste Verbindung, wird das symbolisch sichtbar. Er gehört als letzter und erster zu beiden Erfahrungen, der des finalen Aufbruchs wie der vorsichtiger Annäherung. Ein dankbarer Kuss also dem scheidenden Jahr; derselbe dem anbrechenden voller Erwartung.