Ach, Du

Das Hipster-Du, die unkomplizierte Attitüde, setzt sich immer mehr auch in anderen Lebenssituationen durch, am Bankschalter wie bei der Fahrzeugkontrolle. Es ist der kommunikative Ausdruck einer der Haupteigenschaften digitaler Welten: der des schnellen und ungehinderten Zugangs zu allem. Access heißt das Leitmotiv, jederzeit und allerorten. Das erleichtert nicht nur die Geschäfte, die online sich fast reibungsverlustfrei abwickeln lassen, sondern schenkt auch ein Übermaß an Möglichkeiten, sich Wissen anzueignen, Kontakte zu knüpfen, von ungezählten Spielformen bis zur Reise durch die Unendlichkeit virtueller Realitäten. Was soll da ein umständliches „Sie“? Doch wie stets zahlt man einen heimlichen Preis für das, was man gewinnt. Mit dem Verlust des Widerstands kommt auch jene Fähigkeit abhanden, sinnvoll zu unterscheiden, die elementar ist für die Ausbildung von Geschmack, die Feinsinnigkeit eines Gedankens oder die Sicherheit eines Urteils. Jedes Sie, ob vertraut oder fremd, ist dem Du haushoch überlegen, wenn es darum geht, die schier unendlichen Varianten von Sozialbeziehungen auszuloten. Es ist die kleine Obstruktion und Verzögerung im Zugang, die alle Arten der Differenziertheit und damit den Reichtum des Zusammenlebens schafft. Hier gilt die Regel: je geringer die Signalstärke sprachlicher Vertrautheit, desto klarer die Formunterschiede im Umgang.