Aug in Auge

Metaphorisch taugt der „Augenblick“ weniger für den kurzen Moment als für das, was im Denken Unmittelbarkeit heißt. Wenn zwei Blicke einander begegnen, der eine in den anderen fällt, so dass nichts zwischen sie zu kommen scheint, weil nicht einmal die Pupille des anderen gesehen wird, sondern – ja was: er selbst? –, weil sich alles in schönster Direktheit ergeht, löst sich Zeit in Raum auf und der Raum verdichtet sich zu jenem selten entdeckten Zeitpunkt, in dem Subjekt und Objekt nicht mehr unterschieden werden können. Genau drei Sekunden soll der Blickkontakt idealerweise dauern, sagt das Experiment, was darunter liegt, wird als flüchtig empfunden, was länger währt, als bedrohlich. Selten sind Einsichten heller als in solchen glückhaften Augenblicken, und selten dunkler, als in der Erinnerung an sie. Die Gewissheit, alles gesehen zu haben, gerinnt zur Enttäuschung, nichts erkannt zu haben, sobald sie sagen soll, was es denn gewesen sei, in das sie unmittelbar Einblick hatte.