Betrug durch Grammatik

Selten wird grammatikalisch heftiger betrogen als in dem Satz: Ich warte. Was ist das für ein „Ich“, das sich selbst zum Passiv verdammt, sich zurücknimmt bis zur Selbstaufgabe, in eine Halteposition einzwängt. Alles, was ein Ich auszeichnet: Gestaltungswille, Entschiedenheit, Handlungslust, wird im Warten versteckt hinter moralischen Größen wie der Geduld. Die Wahrheit ist indes, dass in den meisten Fällen Menschen unfreiwillig warten, verlegen in der Beschreibung ihres Loses: Wer wartet? Ein Ich, das sich nicht auszusprechen wagt, weil es sich zum Verharren meist nicht entschlossen hat. Warten ist ein Zustand, der kein Personalpronomen verdient.