Dreimal Liebe

Aus dem noch ungeschriebenen Roman:

Still lagen sie nebeneinander, erschöpft von den Zärtlichkeiten, die sie einander geschenkt hatten. Er lauschte ihrem Herzklopfen, dem tiefen Atmen, dem rhythmischen Auf und Ab ihrer hellen Brüste und drückte sich fester in ihre Umarmung.
„Weißt du, eigentlich bin ich ein sehr genügsamer Mensch“, sagte sie unversehens.
„Das habe ich schon bemerkt“, gab er zur Antwort.
„Ich brauche kein Haus, kein Auto, kein teures Smartphone, keinen Kleiderschrank voll mit Blusen, die ich ohnehin nie trage.“
„Das geht mir ähnlich“, sagte er, „ich habe immer nur drei Bücher im Haus: das eine, das ich eben noch gelesen habe, das, welches ich gerade lese, und jenen Band, den ich als nächstes lesen werde. Aber hängst du an gar nichts?“
Sie zögerte für einen langen Augenblick. Natürlich kannte sie ihre Abhängigkeiten genau. Aber wollte sie ihm diese jetzt schon verraten, nach der ersten ernsten Begegnung? Kurzentschlossen machte sie ihre Erwiderung zum Testfall. Sie war versucht zu sehen, wie er darauf reagierte. „Ja, vielleicht. Wenn ich ehrlich bin, geht es mir ähnlich wie dir. Ich brauche immer drei Freunde, – einen, mit dem ich mal was hatte, einen aktuellen und einen, den ich unbedingt kennenlernen will. Für mich ist das die vollkommene Zeit: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.“
Seine Hand löste sich urplötzlich aus der Umklammerung. Erstaunt, ja erschrocken schaute er sie an; ihn fröstelte leicht. „Wenn das so ist“, hob er an. „dann bin ich – obzwar Gegenwart – künftig nur noch deine Vergangenheit.“ Schlagartig wurde ihm klar, dass das, was sie vollkommene Zeit hieß, ein Lebensmodell war, das nicht in der Lage war, dem, was ist, eine Perspektive zu schenken, und dass ihre Genügsamkeit darin bestand, sich selbst zu genügen.