Gedankenlos, sprachlos

Man kann der Sprache durchaus zutrauen, dass sie fähig ist, einen Gedanken zu entwickeln. Das gelingt ihr öfter, als es umgekehrt glückt: einer Idee den richtigen Ausdruck zu geben. Mit einem Wort zu beginnen und sich von ihm führen zu lassen in dem, was es sagen will, ist kein schlechter Ansatz. Es steckt mehr als eine kleine Wahrheit in der sprachkritischen Notiz, die uns Karl Kraus geschenkt hat: „Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.“* Denn es reicht gelegentlich völlig, den Begriff zu haben; das, was in ihm steckt, zeigt sich, wenn er gesetzt ist. So mancher gute Gedanke ist auf diese Art entstanden.

* Die Fackel, 697