Versuch über den guten Manager

Was zeichnet einen guten Manager aus? Eine höchst unvollständige Sammlung von wesentlichen Eigenschaften:

1. Verlegenheit: Er muss lachen können. Über sich; mit anderen. Die Sache ist dramatisch genug. Aber sie ist nicht tragisch. Manchmal rutscht die Rolle des Managers ins Komische, auch unfreiwillig. Etwa wenn er den Staatsmann spielen muss, außen- wie innenpolitisch. Verlegenheit ist das Gespür für problematische Situationen, für die eine Lösung nicht gleich bereitliegt. In solchen Fällen hilft Distanz, nicht selten Selbstdistanz. Sie erst schafft jene Befreiung, als deren zuverlässiges Signal ein Lachen gelten darf. Viele Manager stehen, je länger sie mit der Funktion betraut sind, so weit neben sich, dass sie nur wenig noch erreicht. Da spricht man besser nicht von Distanz, die ja eine Maßformel für Nähe darstellt, als vielmehr von Stumpfheit. Der Verlegene gibt unwillkürlich kund, dass er sich noch erreichen lässt.

2. Vertrauen: das Wichtigste überhaupt. Und das Gefährdetste. Denn einmal verloren, lässt es sich nicht wieder herstellen. Vertrauen will sich allenfalls einstellen. Zuverlässig ist es da, wenn es keinen Anlass gibt, über es zu sprechen. Man kann gar nicht über Vertrauen ausführlich reden, ohne es in Frage zu stellen. Es gehört zu jenen fragilen Hintergrundeigenschaften, die sich nicht fassen lassen, wenn man nach ihnen greift. Als Selbstvertrauen in die eigenen Kräfte, als Vertrauenswürdigkeit, geronnen zum Persönlichkeitsmerkmal, als Zutrauen, das andere ermutigt, findet es seine lebendigen Formen. Der kluge Manager weiß, dass diese Varianten des Vertrauens zusammengehören.

3. Vorsicht: Nicht Angst, aber Zurückhaltung. Vorsicht ist die Verwandlung der Angst in besonnenes Handeln. Sie erinnert den Manager daran, dass vor dem Tun das Denken kommt. Jedes Mal. Im Grunde verhindert sie, dass aus dem Management eine Art Automatismus
gemacht wird, der ein Unternehmen und seine Mitarbeiter allein über die Instrumente lenkt, die zur Verfügung stehen: Financials, Berater, vereinbarte Ziele. Die sind wichtig, aber nicht ausschließlich maßgebend. Alles kommt darauf an zu differenzieren. Vorsicht verlangt die Fähigkeit, sinnvoll zu unterscheiden.

4. Voraussicht: Natürlich verbindet man mit dem Manager Überblick, Weitblick, Ausblick, Durchblick. Aber das muss ihn überfordern. Wer sieht schon alles, und das auch noch im Vorhinein. Aber ohne Perspektive geht nicht, was das Entscheidende ist: andere einzuschwören auf einen gemeinsamen Weg, den sie selbstverantwortet gehen sollen. Je unübersichtlicher ein Geschäft ist, je wandlungsfähiger eine Organisation, je verzwickter Herausforderungen, je mächtiger der Wettbewerb, desto besser kommt der zurecht, dem ein Bild des Ganzen vorschwebt, das sich nicht darin erschöpfen kann, dass man nach Gewinn strebt. In einer ganz und gar nicht schlichten Bedeutung ist der gute Manager Sinnstifter in der Arbeit.

5. Vollkommenheit: Nein. Das gewiss nicht. Auch wenn so mancher glaubt, sich an solch ausgestellter Position keine Fehler mehr erlauben zu können. Viel wichtiger ist die Fähigkeit, mit  dem Missgeschick versöhnlich umgehen zu können. Dazu gehört vorrangig, es zu akzeptieren. Verleugnung und Verdrängung, Vertuschung und Verrat, sie alle sind hier falsch. Fehler gilt es anzunehmen und im richtigen Moment einzugestehen. Der Fehler verrät den Manager als Menschen. Was spricht dagegen, das zu erlauben?

Ist das alles? Gewiss nicht annähernd. Mehr bei einer anderen Gelegenheit.