Tag: 26. Februar 2017

Liebe im Konjunktiv

Aus dem noch ungeschriebenen Roman:

„Schau, da sind gerade noch zwei Plätze frei“, sagte sie, auf der Suche nach einem Tisch im Restaurant. „Als hättest du für mich reserviert.“ Das Augenzwinkern war nicht zu überhören; sie hatte immer ein leichtes Glucksen in der Stimme, wenn sie ins Spiel der Ironie verfiel. Er erwiderte trocken: „So bin ich zu dir, stets aufmerksam und gütig im Konjunktiv.“ Und setzte sich.  „Deswegen liebe ich dich auch so sehr, mein Sprachmeister, der du selbst aus dem Irrealis einen Vorteil zu ziehen vermagst.“ Sie flüsterte: „Um im Modus zu bleiben: Ich könnte dich heute noch auffressen.“ Verwundert über die Möglichkeitsform, die ja zugleich ein Ausdruck des Unwahrscheinlichen zu sein vermag, wandte er ein: „Warum ,könnte‘, warum im Konjunktiv?“ „Ganz einfach“, entgegnete sie triumphierend, „da muss ich mich auf nichts festlegen, mein Schatz. Ich entscheide allein. Mit ihm hat die Grammatik der wirklichen Machtverteilung in der Welt eine sprachliche Entsprechung zu geben versucht. Er spiegelt ein Gefälle wider. Du verstehst? Ist nicht, aber kann sein: Es steht in meiner Willkür. Und weil du so verständig bist, mein Wortkünstler …“ Sie schaute ihm lang in die Augen: „Ich will. Und kann. Und werde.“