Tag: 3. August 2017

Große Verbote

„Es gibt kein großes Glück ohne große Verbote“, so stimmt Robert Musil sein Hohelied an auf die Grenze, die es zu achten und zu überschreiten gilt, gleichermaßen.* Was aber ist mit dem kleinen Glück der Zeitgenossen, jener scheinelitären Form des gelingenden Lebens, die sich irgendwo zwischen den Staudenblüten eines städtischen Natursteingartens, dem Genuss von Edel-Gin aus der einheimischen Hof-Destillerie und der heimlichen Verachtung von Hornbrillen aus dem 3D-Drucker einfindet? Es braucht keine Verbote und keine Regel, weil es sich weniger aus der Nichtachtung einer Norm nährt als aus dem Gefühl einer Besonderheit, die schon deswegen keine ist, weil sie zum Kult geworden ist. Das Ästhetische ignoriert die Grenzen nur, die das Moralische noch einreißen musste.

* Der Mann ohne Eigenschaften, Kap. 106