Monat: Juli 2018

Haben Sie etwas zu verzollen?

Die Male, wenn ehedem an der Grenze der Beamte das Auto anhielt und die Frage stellte: Haben Sie etwas zu verzollen?, hat man gedacht: Wie armselig! Das bisschen Schokolade über dem Freigewicht, die lächerlich geringe Tabakmenge, die ausreichte, schon in die Gebührenpflicht zu fallen – sollen sie doch suchen. Was die Zollpolizei gelegentlich auch tat. Es kam immer wieder ein höchst unroutiniertes, nervöses Prickeln auf, das anstieg in dem Maße, wie man sich der Station rollend näherte. Der Zoll ist ein Zeichen der Angst. Als Schutzentgelt erhoben, entstammt er dem Misstrauen in die Qualität der eigenen Ware, einem Gefühl der Minderwertigkeit und Schwäche, letztlich der Ahnung, die Hauswährung, die Produktvielfalt, das Angebot an Konsumgütern sei anderswo attraktiver. Der Zoll will schwer zugänglich machen, was faszinierend ist; und hat so dessen Anziehungskraft unwillkürlich noch gestärkt. Das ist das Los aller Verteidigungsstrategien: dass sie zugleich einen Angriff darstellen, und sei es auf das Selbstverständnis einer souverän vernetzten Welt. Eigenes soll vor Fremden bewahrt werden bis hin zur Befremdlichkeit der eigenen Handlungen. Doch eine Sache wird nicht dadurch zur eigenen, dass man sie von anderen Angelegenheiten abgrenzt, sondern indem man sie sich zu eigen macht. Es ist kleinkariert, groß zu nennen, was das große Ganze zerkleinert.

Straßenzustand

Was bei verkrusteten Strukturen meist noch passieren muss: dass sie aufgebrochen werden, ist bei der Infrastruktur oft längst geschehen: Sie ist verkrustet und vielerorts aufgebrochen.

Bildungsnotstand

Der größte Feind der Demokratie ist die Dummheit.

Die ideale Arbeit

Jenseits der Leistung entscheidet sich die Qualität einer Arbeit im Zusammenspiel von vier Dimensionen: im Verhältnis zum Arbeitgeber über Fürsorge und Loyalität, in der Beziehung zum Kunden durch Hingabe und Anerkennung. Fehlt auch nur eine dieser Haltungen, wirkt sich das spürbar aus auf die Qualität. Es entstehen jene gravierenden Mängel, für die sich erkennbar keine Gründe angeben lassen. Hingabe ohne Anerkennung lässt die Gleichgültigkeit wachsen; Loyalität, ohne dass der Arbeitgeber seiner Fürsorge nachkommt, verformt sich zum Dienst nach Vorschrift. Fürsorge, der die Loyalität des Arbeitsnehmers nicht entspricht, gebiert das Gefühl, ausgenutzt zu werden; Anerkennung, die dauerhaft nicht von Hingabe erwidert wird,  lässt den Berufszynismus aufbrechen und höhlt die Wertschätzung aus.

Kompromittierter Kompromiss

Jene Form der Einigung, die als Kompromiss zu demokratischen Ehren gekommen ist, erlöst nicht von Konflikten und löst sie auch nicht, sondern bildet den Grund für den nächsten Streit. Es gehört zu den verlogensten Ritualen des Politikbetriebs, mit glücklichen Gesichtern einen Durchbruch in Verhandlungen zu feiern, der auf einem Kompromiss ruht. Er ist die Geste der Machtlosigkeit Mächtiger, das Eingeständnis, dass es in einem Wettbewerb der Ideen keinen Sieger, aber zwei Niedergeschlagene gibt, die entschiedene Unentschiedenheit, das Ja zum Jein. Nicht der Kompromiss als Meinungsmischung befriedet die Auseinandersetzung zwischen zwei Positionen, allenfalls die Einigung auf eine dritte, neue Haltung, die ein höheres Niveau hat als jede der beiden streitbaren. Das aber verlangt eine Intelligenz, die frei ist von persönlichen Motiven.

Trittschall

Die plötzlich eintretende Furcht des Volksvertreters vor dem Rücktritt reflektiert die Einsicht, nur noch nachtreten zu können, wenn man bei künftigen Auftritten anderen den Vortritt lassen muss. Kaum ein Rücktritt bedeutet einen Fortschritt in der Sache, meist ist er nur ein Austritt aus der Verantwortung.

Unerklärlich

Die schlimmsten Misserfolge sind jene, für die sich auch nach tiefer Analyse kein ernsthafter Grund finden lässt. Was daran schmerzhaft ist? Dass sie verlangen, dem Leben einzugestehen, es sei größer, und dennoch auffordern, die Fehlschläge sich selbst zuzuschreiben. Das bringt nicht nur den Glauben an Planbarkeit durcheinander, sondern, ärgerlicher noch, untergräbt das eigene Verständnis von Verantwortung.