Monat: August 2018

Flüssig bleiben

Gespräche, bei denen zu trinken angeboten wird, kommen tatsächlich flüssiger voran. Das liegt aber nicht am Tee oder dem Cocktail, sondern schlicht an der Gelegenheit, Pausen im Reden einlegen zu können, um Tasse und Glas zu leeren, ohne dass sogleich die eintretende Stille als peinlich empfunden oder das Schweigen für bedeutsam genommen wird. Es sind die Ablenkungen, die zur Sache hinwenden.

Lebenskonflikte

Muss das sein, dass nicht sein darf, was sein will, obwohl sein könnte, was sein soll?
Darf sein, was sein soll, wenn nicht sein will, was sein müsste, um zu können?
Kann das sein, dass sein muss, was nicht sein darf, weil es sein soll, ohne zu wollen?
Soll nicht sein, was sein kann und sein will, obwohl nicht sein muss, was sein darf?
Will nicht sein, was sein soll, weil es sein kann, dass auch sein darf, was sein muss?

Kunstgriff des Schönen

Um nicht zum Objekt der Begierde oder des Neids zu werden, sucht vieles, was auffällig schön ist, sich künstlich hässlich zu machen. Es ist eine der traurigsten Begleiterscheinungen des Außergwöhnlichen, dass es um seine Duldung und Anerkennung auch über die Maßen härter kämpfen muss.

So kann man das auch sehen

„Sie haben meinen Horizont erweitert.“ Was so unsinnig ist, wie es dankbar ausgesprochen wird – Horizonte lassen sich nie dehnen, sie sind die Sichtgrenzen von Perspektiven –, hinterlässt nur eine einzige Frage: Was fängt der Gesprächspartner damit an, dass die eigene Meinung durch die Überzeugungen eines anderen in Zweifel gezogen ist? „Horizonterweiterung“ ist oft nichts als der Deckname für den Unwillen, sich zu ändern.

It’s Party Time

Party: ein Abend, an dem die Tischgespräche über die bemüht originellen Antworten nicht hinauskommen, die man einander auf die unoriginelle Frage gibt, was der andere so mache („… beruflich, meine ich…“).

Ohne Moral

Das ist meist die Armut einer Moral: dass sie nichts anderes versucht, als das Unmoralische zu hemmen. Anstatt sich selber aus einer Haltung abzuleiten und zu einer Handlung zu entwickeln. Eine Moral ohne Moral reagiert bloß auf die Unmoral. Im Verhältnis zur Moral zeigt die Unmoral wenigstens Moral: Sie ist schlauer, schöpferischer, hartnäckiger, lebendiger.

Was die Welt zusammenhält

Was die Welt im Innersten zusammenhält: Äußerlichkeiten. Aber es sind nicht die Gesetze, Regeln, Abläufe oder Strukturen, die Floskeln der Höflichkeit, die Achtung der Hierarchien, das ordentliche und pünktliche Nebeneinander, der tägliche Zwang zur Kreativität, Methoden der Selbstorganisation, die Kommunikationspflicht. Nicht diese. Sondern ihre Funktion der Einhegung von Leidenschaft, Herzensfreundlichkeit, Ideenreichtum, Angstfreiheit, Zuversicht und Zuvorkommenheit und all der kaum registrierbaren Kräfte, die mehr als nützlich sind. Eine Gesellschaft, die vor allem Wert auf ihre Formen legt, bricht auseinander. Was die Welt im Äußersten stabil sein lässt: ihr Inneres.

Landschaftskunde

Diese Landschaft hat ein Gesicht; sein Gesicht ist wie eine Landschaft: Was haben beide metaphorisch gemein? Landschaft und Gesicht sprechen nur deswegen eine Sprache, weil man sich in ihnen aufhalten kann. Sie sind in dem Maße ein Ganzes, wie sie orientieren. Nur in Räumen, in denen er sich prinzipiell auskennen kann, bleibt der Mensch. Hier vermag er mit Fug (s)ein zu Hause vermuten.