Tag: 15. Februar 2019

Besitzstand

Die Rolle des Possessivpronomens, das aus früher schulischer Kunde noch als besitzanzeigendes Fürwort im Gedächtnis ist, beschränkt sich in der Anrede auf eine Art Koordinatensystem im Beziehungsfeld. „Mein lieber Freund“, „meine bessere Hälfte“, „deine Verflossene“ – in der Briefform –, das alles bezeichnet kein Hörigkeits- oder Zugehörigkeitsverhältnis, benennt keine Eigentumsrechte oder erinnert an Unterwürfigkeitsgesten, sondern bestimmt den genauen Ort, aus dem heraus perspektivisch gesprochen wird. Aus meiner Sicht bist du oder bin ich dir … Es ist ein Angebot, in das einzustimmen aufs Schönste veranschaulicht, was es heißt zu entsprechen. Nur im Konfliktfall verrutscht der Interpretationshorizont; das Wort pocht auf den rohen Besitz und verrät gelegentlich Besessenheitsaspekte: Er ist meiner, nicht deiner … Hier wird entschlossen eine Grenze markiert, die Ansprüche (und nicht Entsprechung) in den Vordergrund stellt. Die Betonung des Eigentums schließt aus und sperrt ein; die Gewichtung des Blickwinkels nimmt ein und richtet aus.