Tag: 10. August 2019

Nicht alles, nicht sofort

Aus dem Französischen stammt das Wort triage. Unter Kaufleuten bedeutet es den Ausschuss einer Ware, die geerntet oder produziert wurde, jene wurmstichigen Äpfel etwa, die zur Seite gelegt und für den Verkauf als nicht geeignet gelten. In der Medizin hat sich der Ausdruck vor allem festgesetzt, um Handlungen in Katastrophenszenarien zu klassifizieren. Da gibt es die leicht Verletzten und die, deren Leben als nicht rettbar eingestuft wird. Um die kümmert sich der Arzt erst in zweiter Linie, vielleicht gar nicht. Weil vor allem primär jene in den Blick geraten, deren Verwundung so schwer ist, dass sie sofort zu behandeln ist, und deren Chance davonzukommen so groß, dass es lohnt. Es ist, das erkennt sofort, wer das Maß der Güterabwägung einschätzen kann, eine ethisch höchst verzwickte Situation, weil sie sich nur bewältigen lässt, wenn vieles unbeachtet und liegen bleibt. Manager kennen diese scheinbar ausweglosen Lagen, in denen nur die Logik der triage hilft. Die setzt auf Abstufungen, Prioritäten, Unterscheidungen zwischen Verlierern und den anderen, die Sieger oder Gewinner zu nennen unangemessen wäre. In solchen Extremfällen gibt es nur die großen und die kleinen Niederlagen, ohne dass auszumachen ist, was hierzu jeweils zu zählen ist. Es könnte sein, dass die triage, so problematisch sie ist, zum Leitbild wird, nur einzige Weise darstellt, wie wir als prinzipiell Überforderte in dieser und für diese Welt noch Verantwortung übernehmen können.