Tag: 29. August 2019

Über Gott und die Welt

In der Floskel, man habe geredet über Gott und die Welt, hat sich noch der Anspruch der Größe versteckt erhalten, die Themen einst enthielten, welche heute im nicht nur akademischen Nischendasein der Theologie, reduziert auf die Ausbildung von Pfarrern und Lehrern, vorgehalten werden. Dass kaum noch über Gott gesprochen, wenn von der Welt besorgt oder beschwingt gehandelt wird, selbst nicht im ökologischen Modus einer „Rettung“ oder „Bewahrung“ der „Schöpfung“ (das alles sind religiöse Urworte), hat auch mit theologischer Sprachlosigkeit zu tun, die als Fehlen im gesellschaftlichen Diskurs schon gar nicht mehr bedauert, ja überhaupt nicht einmal mehr wahrgenommen wird. Umgekehrt verstehen es nur wenige noch, sinnvoll das Weltliche einzuzeichnen in die Auslegung eines Schriftstücks aus dem Testament, das in jedem kirchlichen Ritual eine zentrale Rolle einnehmen sollte. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als schämten sich die Theologen, öffentlich den Namen Gottes in den Mund zu nehmen, und als ängsteten sich jene verhaltenen Frommen, sich auf das einzulassen, was für jeden geistig wachen Menschen der fruchtbarste Ort der Auseinandersetzung ist: die Welt. Es liegt nicht fern, im Mangel solcher Sprachlebendigkeit nicht nur säkulares Desinteresse, sondern vor allem eine Armut des Glaubens zu vermuten. Der nämlich entwickelt stets die Lust, sich bestimmt zu bekennen und ohne Furcht sich zu bewegen. Dietrich Bonhoeffer, der Theologe, der wie nur wenige in große gesellschaftliche Räume gewirkt hat von seiner kleinen Gefängniszelle aus, in die ihn die Nationalsozialisten gestoßen hatten, schreibt: „Nicht von der Welt zu Gott, sondern von Gott zur Welt geht der Weg Jesu Christi und daher der Weg alles christlichen Denkens.“* Wo sind die Theologen, die das beherzt als Anspruch aufnehmen, in einen öffentlichen Diskurs so einzutreten, dass wieder zu hören wäre, wonach nicht wenige sich heimlich sehnen?

* Ethik, Werke 6, 358