Tag: 15. Dezember 2019

Aus dem Weg räumen

Der dritte Advent scheint der Tag der Barrierefreiheit zu sein. In den Lesungen, die von den Kirchenkanzeln zu hören sind, tritt der Vorläufer auf, Johannes, der Täufer, die personifizierte Erwartung, und fordert ruppig ein: ebene Wege, erhöhte Täler, erniedrigte Berge, kurz: eine Welt ohne Hindernisse. Denen allerdings, die es sich leicht machen, setzt er hohe Hürden; denen, die meinen, es nicht nötig zu haben, Mächtigen und Reichen, frommen Parteigängern oder fiesen Profiteuren, raubt er zornig die Illusion einer anstrengungslosen Rehabilitation. Es ist der Zwiespalt des Testaments, der sich in diesen Worten manifestiert, einer Annonce, die der schnellen Gewissheit die Verunsicherung entgegensetzt, dem Lichterglanz die Härte, dem Geschenk das unselbstverständliche Tun, der Einsicht, nichts beitragen zu können, die Erinnerung, alles vorbereiten zu müssen. Was nun? Die Ausleger solcher Proben auf die Schärfe der guten Nachricht verweisen meist auf den Überraschungsaspekt: Nur die kraftvoll dunkel dargestellte Lage lässt die Helle der Weihnachtsbotschaft erst recht leuchten. Der Bußprediger in der Wüste würde solchen milden Interpreten den Ernst der Situation wohl um die Ohren hauen. Und ihnen zu verstehen geben, dass der absolute Wert nur anschaulich gemacht werden kann in der absoluten Unmöglichkeit, ihn zu erreichen. Dass der Weltenerlöser nah sei, mag allein denen ein Trost sein, die noch hadern damit, man könne ihn überhaupt ersehnen. Dass alles am Glauben an einem Kind hängt, spiegelt sich wider im Unglaublichen. Der dritte Advent ist eine Einübung in die Paradoxie, das höchste Hemmnis des Denkens.