Monat: Februar 2020

Was du nicht willst, das man dir tu …

Gewaltenteilung, Regeln zur Machtbeschränkung, sie sorgen für die unterschwellige Drohung, denen in anderer Rolle wiederzubegegnen, über die man für den Augenblick herrscht. Wo heute Oben ist, kann morgen Unten sein. Nicht selten sind es solche schlichten Befürchtungen, vergolten zu bekommen, was man sich unzulässigerweise angemaßt hat, die Grundformen der Höflichkeit und des Respekts sinnvoll erscheinen lassen, auch wenn sie nicht aus innerem Anstand erwachsen sind. Zivilisiert ist, wer die Angst vor der Rache kultiviert hat.

Der hässliche Alltag

Was sagt das über unseren Geschmack, dass so vieles, was von den Alltagsgegenständen wie Sitzmöbeln, Küchengeräten, Vehikeln schön zu heißen verdient, sich im Gebrauch als unpraktisch und ganz und gar unbequem erweist? Und umgekehrt: Was bedeutet es, dass im Nützlichen so wenig Anmut und Ausstrahlung steckt? Die Kunst ist, Gegenstände fürs Auge gewinnend zu gestalten, ohne dass es ihrem Zweck schadet.

Träum nicht

Viele, die sich als Realisten positionieren, verbieten sich nur, der Welt blauäugig zu begegnen. Mangels Enttäuschungsfestigkeit halten sie den schlechten Ausgang einer Sache für normal und den guten für verdient. Dazwischen finden Überraschungen kaum Platz. Das Maß des Vergnügens, das man erleben kann, hängt ab vom Volumen der Erwartung und, nicht zuletzt, von der Fähigkeit, Rückschläge und Misserfolge listig ins Gelingen zu wenden. Vielleicht ist die wesentliche Aufgabe der Hoffnung, dass sie Freude ermöglicht.

Kleine Aufmerksamkeit

Nur wenige Geschenke fügen sich so passgenau ein in die Herzensangelegenheiten des bedachten Menschen, dass dieser mit dem Präsent überhaupt erst entdeckt, sich die Sache immer schon gewünscht zu haben. Es gehört große Aufmerksamkeit zu den Gesten, die als kleine Aufmerksamkeiten mit Unaufdringlichkeit und Feingefühl überraschen. Mitbringsel hingegen, die erst einer Erklärung bedürften, sollte man gleich zu Hause lassen.

Moralpredigt

Wie schnell ist das Urteil parat, dass einer, der mit hohem Anspruch öffentlich auftritt, seine Worte durch die Art, wie er lebt, widerlege. „Da ergibt sich, dass Moral-Predigen leicht“ sei, befand schon Schopenhauer, und ergänzte, dass „Moral-Begründen schwer ist“.* Viel schwieriger noch scheint indes zu sein, Moral zu leben, jene nämlich, für die man coram publico einsteht. Ausgerechnet der hat gut reden, heißt es dann mit erhobenem Verweis auf seine Taten. Macht das aber falsch, was einer sagt? Das Leben taugt nicht als Nachweis, ja Beglaubigung der edlen Absichten und Einsichten. Denn nie ist es Resultat, immer aber eine Aufgabe. Sie liegt stets vor uns, so dass die Anstrengung gewürdigt werden mag, mit dem Zwiespalt, seinen Widersprüchen und Streitigkeiten sinnreich umzugehen. Zum Maßstab allerdings für das, was im Tun als wahr gelten mag, reicht das Leben nicht. Eine Moral, die etwas auf sich hält, kann im Ernst nur verstanden werden als Einspruch und Eingriff in den status quo.

Über den Willen in der Natur, Werke III, 472. – Schopenhauer hat diesen Satz dann auch als Motto seiner Preisschrift „über die Grundlage der Moral“ vorangestellt, in der er die Tat zum harten „Probierstein aller unserer Überzeugungen erklärt“. – aaO. 769.