Tag: 8. April 2020

Legitimität

Das berühmte Böckenförde-Diktum, nach dem der „freiheitliche, säkularisierte Staat … von Voraussetzungen (lebt), die er selbst nicht garantieren kann“* beschreibt das Risiko der Demokratie, die zwar als Rechtsordnung ihre Funktionen sicherstellt – die Verlässlichkeit von Gesetzen, die Verfolgung von Straftätern, den Schutz der Privatsphäre –, aber auf einer Grundordnung ruht, deren Anerkennung von der Einsichtsfähigkeit der Einzelnen abhängt. Das Recht selber kann nicht die Frage beantworten, warum es sinnvoll ist, sich an das Recht zu halten. Alle Formen des demokratischen Staats führen zurück auf jenes informelle Selbstverständnis, nach dem Freiheit danach strebt, sich mit anderen sinnvoll zu arrangieren. Das ist nicht einklagbar. Allerdings muss man sich gelegentlich darauf berufen, vor allem dann, wenn nicht darüber abgestimmt werden kann, ob fundamentale Rechte auszusetzen oder einzuschränken sind. Die Entscheidung ist in dem Maße legitim, wie sich Freiheit in deren wirksamen Folgen wiedererkennt.

* Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Ders., Recht, Staat, Freiheit, 112