Tag: 5. August 2020

Schnutenpulli

Die Maske, die in Friesland schon verniedlicht ist zum Schnutenpulli und bei frischer Brise auch weniger stört, sorgt für Irritationen vor allem im Feld der Bekanntschaft. Was zwischen Liebenden und Freunden, die miteinander so vertraut sind, dass der Ausfall von Wahrnehmungsmerkmalen in der Mund- und Nasenpartie nicht das Gesamtbild irritiert, durch die Vorstellung ersetzt wird, fällt in Gelegenheitsbegegnungen auf. Hinter Baumwollgewebe oder Nonwoven-Materialien verbirgt sich die Miene, so dass es schon schwerer wird, nicht nur den Gesichtsausdruck zu lesen, sondern überhaupt zu erkennen, um wen es sich handelt, wenn die Erinnerung an den anderen visuell nicht scharf genug ist. Ob es sich wirklich um ihn handelt? Die Pflicht zum Tragen der Bedeckung erlaubt nicht, den Stoff zur Enträtselung zu entfernen und (das) Gesicht zu zeigen. Es müssen schon andere Zeichen gesetzt werden, die das Wiedererkennen erleichtern. Was ist es, das im Gedächtnis haften geblieben ist: die Stimme, der Geruch (was zu prüfen die Abstandsregel verhindert), der Gang, die Frisur? Solche Fragen führen zur eigentlichen Verblüffung: wie viele Ähnlichkeiten und äußerliche Stereotypen wir uns leisten, von der Kombination aus blauer Jeans und schwarzem T-Shirt bis zum Haarschnitt mit Hipsterscheitel, und wie arm das individuelle Unterschiedsbedürfnis ist im Zeitalter der Egomanie und des Narzissmus.