Tag: 22. Dezember 2020

Post von Unbekannt

Immer wieder finden sich in der Weihnachtspost Grußbotschaften von Menschen, die in schönster geschäftsfreundschaftlicher Manier geschrieben sind und jenseits der Wunschfloskeln vertraut Einblicke geben in die jüngsten Erfolge trotz der – ein diesmal allzu oft gelesener Ausdruck – Widrigkeiten. Der Tenor lässt sich in vier Worte fassen: Was für ein Jahr! Der Unterzeichner allerdings, der für die Unterstützung im abgelaufenen Geschäftszyklus dankt und mit dem zuversichtlichen Ausblick endet, man werde einander demnächst wieder persönlich treffen, ist dem Adressaten ganz und gar unbekannt. Seit ungezählten Jahren bekommt dieser zum Zeitenwechsel Briefe, deren Verfasser er nie gesehen oder gesprochen hat, aus Unternehmen, mit denen ihn in ferner Vergangenheit mal ein kleiner Auftrag verband. In der Zwischenzeit wurden Vorstand oder Geschäftsführung mehrfach ausgetauscht. Was zuverlässig blieb, ist der vorfestliche Brauch der handschriftlichen Karte. Man möchte sie nicht missen. Sie gehört zum stimmungsvollen Accessoire des Advents wie Plätzchen und Kerzenschein. Und so vieles, von dem die meisten nicht mehr wissen, was es bedeutet und woraus es einst hervorgegangen ist. Es wirkt trotzdem. Vielleicht ist diese Vergessenheit das wesentliche Merkmal jedes Rituals: auf seinen Effekt altbewährt setzen zu können, ohne die Probe darauf machen zu müssen, wie belastbar das ist, worauf es verweist.