Tag: 4. April 2022

Von Mensch zu Mensch

Seit alters gibt es kein größeres Entsetzen als das, was Menschen erfasst, wenn sie entdecken, dass Menschen einander Unfassbares antun können, und dabei erkennen müssen, wozu sie prinzipiell selber fähig wären. Nietzsche hat das berühmte Chorlied* der antiken Tragödie in die moderne Bodenlosigkeit übersetzt und den Blick als den urmenschlichen Akt, in dem wir uns offenbaren, in seiner abgründigen Tiefe vorgestellt: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“**

„Ungeheuer ist vieles, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch“, singt der Chor in Sophokles‘ Antigone (V. 332)
** Jenseits von Gut und Böse, Aphorismus 146