Arme Teufel

Ein Wochenende im katholischen Polen: Karol Wojtyla, der polnische Papst Johannes Paul II., soll heilig gesprochen werden, so hieß es am Samstag. Und tags drauf kommen zu einem Exorzisten 58.000 Gläubige ins Warschauer Stadion.
Was sagte wohl der polnische Philosoph Leszek Kolakowski heute? Er, ein Meister des Zweifels, den Jürgen Habermas einst für den Adorno-Lehrstuhl in Frankfurt ins Gespräch gebracht hatte, hat vor fünfzig Jahren ein Stück geschrieben, voller Hintersinn, das „Stenogramm einer Pressekonferenz, die der Dämon am 20. 12. 1963 in Warschau abgehalten hat“. Darin stellt sich der Teufel vor: „Sie haben aufgehört, an mich zu glauben, meine Herren, gewiss, ich weiß davon, ich weiß es, aber es lässt mich kalt. Ob Sie an mich glauben oder nicht, es bleibt einzig und allein Ihre Sache. Haben Sie mich verstanden, meine Herren? Es ist mir maßlos gleichgültig, so gleichgültig, wie nur irgendetwas … Dass Sie meine Existenz leugnen, das tut meiner Eitelkeit keinen Abbruch und zwar einfach deswegen, weil ich absolut nicht eitel bin. Weil ich nicht die Absicht habe, von Ihnen für besser gehalten zu werden, als ich bin, ja nicht einmal so wie ich tatsächlich bin. Ich will ich selbst sein, weiter nichts. Ihr Unglaube berührt keinen einzigen meiner Wünsche. Sie sind alle erfüllt. Es kommt mir nicht auf die Anerkennung meiner Existenz an, für mich ist nur das eine wichtig – dass das Werk der Vernichtung nicht stockt. Zuweilen stimmen mich die Ursachen dieses Unglaubens nachdenklich. Nun ja, es ist ganz einfach, die Sache fesselt für einen kurzen Augenblick mein Interesse. Ich betrachte Ihren jämmerlichen Skeptizismus etwa auf die gleiche Art, wie sie eine Spinne beobachten, die an der Wand entlang kriecht. Mich macht die Unbedenklichkeit stutzig, mit der Sie Ihren Glauben fahren lassen und ich überlege mir, wie es kommt, dass immer und in jedem Fall ich das erste Opfer bin, sobald der Unglaube um sich zu greifen beginnt. ,Opfer‘, so etwas sagt man so leicht dahin. In Wahrheit bin ich weder ein Opfer, noch trifft es zu, dass ich falle. Oh nein, ich falle gewiss nicht und doch nimmt der Unglaube in mir seinen Anfang. Den Teufel wird man am leichtesten los, dann kommen die Engel, dann die Dreieinigkeit und schließlich Gott.“ (Leszek Kolakowski, Gespräche mit dem Teufel, München 1968, 66f.)