Atemlose Aspiranten

Wenn es eine ausgezeichnete Rolle gibt, die diese Zeit repräsentiert, so ist es der Kandidat. Es wimmelt vor Bachelors, den Frauen, die der Bauer sucht, Supertalenten, Bewohnern und Bewerbern des Dschungelcamps, Aspiranten auf hohe Parteiämter, Startups in der Höhle des Löwen, Hoffnungsträgern im Trainerkarussel, Abteilungsleitern, die ins Rennen geschickt werden ums Innovationsbudget, Bewerbern im Assessment-Center, und nicht zuletzt den Anwärter-Jurys, aus der ein Präsident hervorgegangen ist, der nun seine engsten Mitarbeiter wie Dauerkandidaten behandelt, über deren Schicksal es täglich neu zu entscheiden gilt – als sei die Welt ein einziger Tummelplatz, auf dem Menschen gezwungen werden, sich von ihrer Schokoladenseite zu zeigen. Die Wirklichkeit des Kandidaten ist das Warten; das allerdings muss zur höchsten Betriebsamkeit umgelogen werden, ohne dass der Anwärter sonst wirken könnte. Was wäre das für ein Bewerber, der sich mit nichts als Enttäuschungen vorstellte: Ich habe nichts zu sagen (weil ich endlich aufhören will mit Reden, um handeln zu können); ich kann nichts versprechen (weil am Ende ohnehin nur zählen soll, was ich erreicht habe); ich bin es leid, mich zu präsentieren (weil es um mich gar nicht geht, sondern um die Veränderung der Sache)? Würde man ihm trauen? Und was traute man ihm zu?