Bekannt, nicht erkannt

Auf einer Party neben jemandem zu sitzen gekommen, dessen Gesicht im Niemandsland der Erinnerung abgespeichert war, irgendwie bekannt, doch nicht zuzuordnen. Nicht einmal die Vorstellung mit dem Vornamen half. Nach dem Smalltalk zum Aufwärmen die unausweichliche Frage: Und du? Was machst du so? Ich bin beim Fernsehen. Vor oder hinter der Kamera? Vor … Täglich, zur besten Sendezeit. Der Groschen fiel auch da noch nicht. Erst der vollständige Name klärte auf. Und es stellte sich nicht ein, was sonst oft passiert im Gespräch mit Prominenten: die Qual der Befangenheit, die gelegentlich das Interesse am anderen schnell versiegen oder sich überschlagen lässt in hysterische Neugier. Nichts ist entspannter als eine Begegnung im Schutz der Anonymität oder Ignoranz. „Das Bekannte überhaupt“ schreibt Hegel begriffstheoretisch bedeutsam, „ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt.“* Wie wohltuend, möchte man wider den Sinn des Satzes hinzufügen.

* Phänomenologie des Geistes, 35