Das Glück der Rede

„Das Glück in der öffentlichen Rede erlebt der Redner in dem Maße, wie es ihm gelingt, sich im Sprechen zu vergessen und mit dem Publikum ein Spiel zu spielen.“ – Aus einem Artikel in der „Wirtschaftswoche“ über Lampenfieber.*

* … Doch anders als der Künstler, der gelernt hat, gutes Lampenfieber als Produktivkraft zu verstehen, erlebt der Manager es als lästige Begleiterscheinung, als Störfaktor in der Routine. Sein Lampenfieber öffentlich einzugestehen, so der an der Universität Witten/Herdecke lehrende Philosoph und Managerberater Jürgen Werner, käme für den Manager einer „Beichte“ gleich: Es hieße, sich „klein zu machen, aus seiner Sicht ohne Not“, und „an das zu erinnern, was er gerade vergessen möchte“ aus Scham vor der Öffentlichkeit und vor den Kollegen: die Angst vor dem Auftritt.

Der Versuch, das Lampenfieber abzuwehren, bringt es dann endgültig zutage: Der Redner verkrampft, er verhaspelt sich und muss im schlimmsten Fall abbrechen. Eine „unfreiwillige Beichte“, so Werner, die den Betroffenen im Zentrum trifft, denn er bekommt nun die Erfahrung serviert, dass „er nicht der ist, für den er gehalten werden möchte“. Im tiefsten Inneren weiß er natürlich von seiner Angst, aber „er möchte nicht, dass die anderen es wissen.

Was er falsch gemacht hat? „Nichts falsch machen zu wollen“, so Jürgen Werner. Zu glauben, der Eindruck von Souveränität beruhe auf perfekter Kontrolle, womöglich auf Auswendiglernen. Die Manager, mit denen Werner rhetorisch und kommunikativ arbeitet, lernen durch gemeinsames Üben etwas anderes: Lampenfieber nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern zu suchen, also die Nervositätsschwelle zu senken, Ungewissheit auszuhalten und eine Rede nicht bis aufs Komma vorzubereiten. Überzeugend zu reden heißt, die störende Selbstreflexionsspirale zu durchbrechen und das Publikum ins Zentrum zu rücken. „Das Glück in der öffentlichen Rede“, so Werner, „erlebt der Redner in dem Maße, wie es ihm gelingt, sich im Sprechen zu vergessen und mit dem Publikum ein Spiel zu spielen.“ …

Christopher Schwarz, Wirtschaftswoche