Das kaufe ich Ihnen nicht ab

Kurz vor Ladenschluss betritt der Mann das Fachgeschäft für die dezente, dennoch teure Mode und schlendert entlang der Auslagen. Er will eigentlich gar nichts kaufen, befühlt Hemden, prüft den Stoff der Hosen und freut sich auf einen ruhigen Abend. Die blonde Verkäuferin, so unaufdringlich schön wie keines der wohlgeformten Stücke im Regal, lässt ihn suchen. Doch plötzlich steht sie hinter ihm. In ihren Händen hält sie einen schweren Ledermantel, tauglich für den tiefsten Winter. „Schlüpfen Sie da mal hinein“, fordert sie den verwunderten Besucher auf. Der gehorcht. „Und?“ „Ich brauche keinen Mantel“, erwidert er leicht mürrisch. Die Frau lässt sich nicht beirren. „Das habe ich auch nicht behauptet, aber manchmal sind jene Dinge besonders schön, die man nicht braucht“, sagt sie und lächelt. „Außerdem dachte ich, als Sie hier in unsere Filiale kamen – ich wollte gerade die Tür abschließen –, dass dieses Stück für Sie gemacht ist. Im Ernst.“ Der späte Gast weiß schon nicht mehr, was er antworten soll, hebt an, spröde von seinem Bedauern zu erzählen; da lässt ihn die Mitarbeiterin einfach stehen. Sie geht zur Kasse, telefoniert kurz, kommt wieder und strahlt: „Ich habe gerade mit der Zentrale gesprochen. Ich könnte Ihnen das Stück deutlich günstiger geben.“ „Warum tun Sie das?“ fragt er. „Weil der Mantel für Sie gemacht wurde.“ „Woher wissen Sie das?“ „Weil ich ihn kenne. Wir hatten zwei. Den anderen trage ich.“ Das verblüfft den Mann. Für einen Augenblick kriecht eine wohlige Wärme in ihm hoch, die er nur von jenen seltenen Stunden kennt, da er sich heimisch fühlt. Und er fasst allen Mut: „Dann könnten ja unsere beiden Mäntel vielleicht einmal zusammen Essen gehen“, sagt er und fürchtet schon, sie werde im Nu ihr unverstelltes Gesicht verlieren. Aber die Verkäuferin behält ihren freundlichen Zauber. Unbeirrt entgegnet sie: „Aber die beiden sind schon gefüttert.“