Der letzte Akt

Zwischen dem Akt und einer Akte, dem Handeln und der Verwaltung, ist die Differenz weit größer, als es der eine Buchstabe jenseits der Wortähnlichkeit markiert. Wo hier Bewegung scheint da Gegenbewegung zu sein. Zwar ist nicht alles Dringliche wichtig und, umgekehrt, nicht alles Wichtige dringlich, aber Zeitknappheit gehört elementar zum Handeln und der modernen Verwaltung. „Im Zeitalter großer Organisationen ist Zeit knapp geworden. Zeitdruck ist eine verbreitete Erscheinung. … Schlichte rote Mappen (mit längst nicht mehr eiligem Inhalt), Eilt-Mappen, Eilt-sehr-Mappen bevölkern den Schreibtisch und seine Umgebung. Einige drängen sich durch ihre Lage mitten auf dem Schreibtisch und durch einen besonderen Zettel ›Terminsache!‹ vor im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Die Orientierung an Fristen und fristbedingten Vordringlichkeiten bestimmt den Rhythmus der Arbeit und die Wahl ihrer Thematik.“ So beschreibt es Niklas Luhmann vor gut fünfzig Jahren.* Und unterschlägt  mit der Konzentration der Verdichtung des Anspruchs auf den Augenblick seiner Erfüllung, der im Handeln den entscheidenden Vorteil ausmachen kann, den Zwischenschritt, den die Verwaltung zu gehen hat: Jeder ihrer Akte muss mit der zuständigen Funktion zunächst abgeglichen werden. Ohne deren Initiative passiert nichts. Quod non est in actis, non est in mundo. So dass gelegentlich gar nichts geschieht, weil sich keiner gezwungen sieht, die Sache zu befördern. Der kleine Zusatz eines -e zum Akt symbolisiert die große Veränderung, die eintritt, wenn ein Problem als Verfahrensfrage behandelt wird. Weil so die Lust am Tun, die stets mit dem Risiko einhergeht, es falsch gemacht zu haben, von der Lust überformt wird, woanders hinweisen zu können, wenn es nicht gelungen war. So lange nicht geklärt ist, wem es im Zweifel zugeschrieben werden könnte, rührt sich nichts.

Die Knappheit der Zeit und die Vordringlichkeit des Befristeten