Der Unmensch

Aus dem noch ungeschriebenen Roman:

„Hast du’s auch gelesen? Früher haben die Mexikaner den Axolotl gegessen, du weißt, jenen Schwanzlurch, der eine Dauerlarve bleibt und nie erwachsen wird. Gegart und in Maisblätter gewickelt haben sie ihn. Außerdem wurde er als göttliches Wesen verehrt“, erzählte sie begeistert. „Das geschieht ihm recht“, antwortete er geistesabwesend. „Auch wer ewig jung bleiben möchte, muss irgendwie enden.“ Die Vorstellung eines aufgeschnittenen, schleimigen Reptils, das seine Kiemen noch als Geäst außen am Körper trägt, fand er mit Blick auf seinen Teller nicht wirklich appetitfördernd. „Du bist so unsensibel“, murmelte er nur über den Tisch und vertiefte sich in seine gebratene Scholle. „Un-? Wenn Menschen eine bestimmte Vorsilbe hätten, wie sie an einem bestimmten Datum ihren Geburtstag feiern: das Un- wäre dein Präfix. Unaufmerksam, undankbar, untätig, uncharmant, unhöflich, unfreundlich, unausstehlich.“ Sie rang nach weiteren Wörtern, um sich Luft zu machen. Erstaunt blickte er auf. „Da fehlt nicht viel zum Unmenschen“, sagte er grinsend und küsste sie. „Du bist einfach unwiderstehlich.“