Die schweigende Mehrheit

Schweigende Mehrheiten bilden sich weniger aus Mangel an Mut, sondern meist dort, wo zwischen Denken und Handeln eine breite Kluft vorherrscht. Sie verhindert, dass Worte ohne Folgen genügten oder Taten zuverlässig begründet werden könnten. In der Verlegenheit, wider bessere Einsicht sich nicht zu bewegen, wenn Entschlossenheit und Engagement unbedingt verlangt sind, entzieht der Mensch seine Dissonanz der Sichtbarkeit. Die Vieldeutigkeit, die das Verstummen zulässt, nützt ihm, weil er so seine Inkonsequenz nicht auflösen muss. Immer lässt sich, jenseits des Nichtssagenden des Nichtsagens, die fehlende Artikulation interpretieren als heimliche Zustimmung oder als trotziger Ausdruck der Ablehnung, zuletzt als Spiel mit der Ratlosigkeit der Erwartung. Was soll man auch sprechen, wenn man nichts äußern könnte als den eigenen Zwiespalt.