Die totalitäre Welt, die freie Welt

Aus einer Sonntagslektüre:
„Die totalitäre Welt ist schwach nach innen und stark nach außen. Denn nach innen kann sie ihre Herrschaft nur durch Terror bewahren. Nach außen aber kann sie auf dem Boden der freien Welt unter Nutzung der dieser Welt eigenen Regeln durch die totalitären Methoden einheitlich geführter, mit gewaltigen Mitteln ausgestatteter Planung sowohl ihre Propaganda treiben wie subversive Organisationen bilden. Jener Propaganda kann die freie Welt allein durch ihre geistige Kraft aus dem Ethos ihres Prinzips Herr werden, indem sie sie am Ende wirkungslos versanden läßt … Sie darf nicht die Methoden des Totalitären selber gebrauchen; denn dadurch würde sie ihr eigenes Wesen zerstören.
Die freie Welt ist stark nach innen und schwach nach außen. Ihre Stärke nach innen beruht auf der freien Zustimmung und Mitwirkung der Bevölkerung. Ihre Schwäche nach außen liegt in der Zerspaltenheit der freien Staaten untereinander und in dem Mangel einheitlicher Konzentration aller Kräfte auch in jedem einzelnen Staat. Sobald die freie Welt von außen im ganzen angegriffen wird, ist sie zunächst unterlegen, weil sie nicht in sich zusammengefaßt zu solchem Kampf gerüstet und bereit ist. Sie braucht dann Zeit, um ihre überlegene potentielle Kraft für solchen Augenblick erst zu entwickeln. Sie könnte verloren sein, wenn ihr diese Zeit nicht gewährt wird.“*

* Karl Jaspers, Die Atombombe und die Zukunft des Menschen, 163