Eins, Zwei, Drei

An erster Stelle zu stehen, ist nicht nur auf dem Siegertreppchen schön. Der Vorzug, den die Erstgeborenen, die Erstausstrahlung oder die Erstbesteigung haben, liegt vor allem im fehlenden Vorbild. Weil ohne Vergleich, erscheint das Erste hervorgehoben. Es hat noch keine Geschichte, ja stellt deren Anfang dar. Der first mover bricht ein in eine Branche, verändert sie, wird zum beispielgebenden Fixpunkt für alles, was nach ihm kommt. Da haben die anderen das Nachsehen, wenn auch nicht immer den wirtschaftlichen Nachteil. Alles Zweite steht in einer Welt, die den Wettbewerb zum offiziellen Beziehungsdesign zwischen Menschen ausgerufen hat, nicht im besten Ruf. Der Zweite ist der erste Verlierer. Vom Image des Unterlegenen befreit er sich nur, wenn er sich entschädigen kann mit einem höheren Rang an anderer Stelle. Die Nachhaltigkeitsindustrie hat sich das längst zunutze gemacht. Sie verkauft mit dem wiederverwertbaren Produkt aus second hand zugleich das gute Gewissen und trickst so das nimmermüde Konkurrenzdenken aus. Man fühlt sich oben, wenn auch an anderer Stelle. Nie war Gebrauchtes derart je geadelt. Vom Sperrmüll über Designermöbel aus Fabrikabfall bis zum Remix in der Musik – dass dasselbe noch einmal ganz anders verwendet werden kann, ist uns lieb inzwischen und teuer.

Vom Ersatzteillager zum Studio für artificial design: Die Karriere des Zweiten erreicht den Alltag

Vom Ersatzteillager zum Studio für artificial design: Die Karriere des Zweiten erreicht den Alltag

Längst hat sich auch der Lebenstil auf die neue Karriere des Zweiten eingestellt. Man redet nicht mehr abschätzig vom Ersatz oder mitleidig von Prothesen: Die dritten Zähne werden eingesetzt zu Zeiten, da die zweiten allemal noch getaugt hätten. Keiner, der sein „Zweithaar“ stolz auf dem Kopf trägt, denkt noch daran, dass er sich eine Perücke aufgesetzt hat oder Extensions anbringen ließ. Wo ein Verlust nicht bedeutet, dass man zum Verlierer wird, ist das Zweite das wahrhaft Erste.