Gedankenlose Gegenwart

Die Gegenwart ist gedankenlos. Was unmittelbar ins Auge fällt, mit Händen zu greifen ist, lässt sich nicht reflektieren. Zum Deuten gehört die Distanz, zum Begreifen der Befund. „Wie denken ohne Abwesenheit?“, fragt die Figur der Lust in den Fragmenten zu einem „Faust III“, die Paul Valéry hinterlassen hat.* Erst im Abstand kann aus einem Denken an ein Denken über werden, das all das, was nicht, noch nicht oder nicht mehr da ist, in die Präsenz des Bewusstseins holt. Worum die starke Begierde angesichts des Gegenstands ihres Verlangens sich bemüht, die Sache sich mit aller Kraft einzuverleiben, den Geliebten zu genießen, das leistet das Denken auf den verzweigten Umwegen der Vorstellung: Es wendet sich vom Drängen der Wirklichkeit ab, um eine Idee zu entwickeln, die dann in die Wirklichkeit drängen mag.

* Werke. Frankfurter Ausgabe, Bd. 2, 361