Gernegroß

Früher nahm man noch die moralische Verpflichtung wahr, die im Doppelsinn der Größe, als quantitativer und qualitativer Bezeichnung, versteckt ist. Was vor aller Augen sichtbar das Normalmaß überschritt, sollte auch allenthalben Eigenschaften besitzen, zu denen aufzublicken mehr war als eine Frage der hochgerichteten Körperhaltung. Man darf daher mutmaßen, dass der französische Schriftsteller Antoine de Rivarol, der im Jahr 1784 in ganz Europa bekannt wurde, weil er den Preis der Berliner Akademie gewann mit einer Abhandlung über die Universalität der französischen Sprache, mit der zwiefachen Bedeutung des Worts „Größe“ bestens vertraut war. Unter seinen Sentenzen zur Ökonomie findet sich ein auch heute noch bedenkenswerter Satz: „Große Unternehmen vernichten nur kleine Vermögen.“* Der Widerspruch, den wir entgegenhalten wollen, belehrt durch die jüngere Vergangenheit, in der große Unternehmen sehr große Vermögen vernichtet haben, stockt in dem Augenblick, da andere mögliche Lesarten aufscheinen. Etwa die sozialkritische: Nur die kleinen Vermögen sind von den großen Unternehmen vernichtet worden; die großen blieben erhalten. Oder die vorsichtig wirtschaftsethische: Groß verdient ein Unternehmen dann schon genannt zu werden, wenn es nicht mehr vernichtet als kleine Vermögen. Oder die wachstumstheoretische: Die Größe eines Unternehmens resultiert daraus, dass es nur kleine Vermögen vernichtet hat. Doch die Formel impliziert noch eine andere Pointe, jenseits von „groß“ oder „klein“: Kein Unternehmen, so Rivarol, scheint sich des Loses entziehen zu können, überhaupt etwas zu vernichten, will es erfolgreich sein.

*Antoine de Rivarol, Vom Menschen, 167