Grünzeug

Hier wächst der Ruhm: Denkmal für die Frankfurter Grüne Soße

Hier wächst der Ruhm: Denkmal für die Frankfurter Grüne Soße

Lang schon hält sich die Legende, das Frankfurter Regionalgericht, die berühmte „Grie Soß“, sei eine Erfindung von Goethes Mutter. Da haben sich zwei lokale Größen zusammengetan, um einen Mythos zu begründen, obwohl sie beide es nicht nötig gehabt hätten. Frau Aja, eigentlich Catharina Elisabeth Textor, kochte offensichtlich gut und ihr Sohn aß gern, will man seinen zahlreichen Auslassungen zur Kulinarik glauben. Doch die Grüne Soße, eine aus sieben Kräutern zubereitete Kartoffelbeigabe, erwähnt er in seinen Schriften nie. Wäre sie wirklich seine Leibspeise gewesen, wie es in der Stadt hartnäckig behauptet wird, hätte sie gewiss Eingang gefunden in seine weltläufigen Texte. Die Kenner haben dem Kräutergemisch aus Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch längst eine unabhängige Geschichte geschrieben, nicht mehr begründet auf dem geliehenen Ruhm des Dichterfürsten. Wohl erst nach Goethes Tod, in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, kam das Rezept auf. Seither gehört es mindestens im Frühling auf den Frankfurter Mittagstisch wie anderorts der Spargel. Und nach dem ersten Herbstfrost, wenn die Saison geendet hat, sorgt ein Denkmal in den Oberräder Feldern, wo die Kräuter wachsen, dafür, dass man sich auch an den dunklen Tagen an das frische Aroma erinnert. Es ist klug gewählt, weil es zugleich zeigt, wozu die Sprache fähig ist. In einem Gewächshaus steht auf dem Boden nichts anderes als der Begriff des Krauts, das einen Teil der Soße ausmacht. Das ist präzise die Leistung eines Wort: dass es gegenwärtig machen kann, was gerade nicht anschaulich ist. Das Denkmal für die Frankfurter Grüne Soße ist zugleich ein Denkmal für das, was das Denken mehr als einmal zu verstehen gibt.