Heilige Unruhe

Die beiden Haupteigenschaften, mit denen der pfingstliche Geist im Testament bedacht wird, sind die des Trostes und der Wahrheit. In alle Wahrheit wird er die Menschen leiten, so steht es geschrieben, er, dessen Charakter ist zu trösten. Das mag stutzig machen, vor allem wenn man oft genug erlebt hat, dass untröstlich so mancher wird, wenn er erfahren hat, wie eine Sache wirklich war, und wie verlogen ein Hilfsangebot wirken kann in Momenten, da nicht mehr geholfen werden kann. Was also haben Trost und Wahrheit gemein; was verbindet sie? Die überlieferten Texte verweisen noch auf ein drittes Geistestalent: das Geschäft der Auslegung. Mit dem Geist verschwindet aus der religiösen Rede der Dogmatismus, das „Einfach so“, und es kehrt das Verlangen ein, sie zu deuten. Also, versuchen wir es mit einer hermeneutischen Variante: Nur eine Wahrheit, die um Einverständnis wirbt, vermag zu trösten; nur ein Trost, dessen wesentliches Bemühen ist zu verstehen, verdient, wahr genannt zu werden. Oder aber: Wahrheit bedeutet hier nicht die Konfrontation mit einer nackten Tatsache. Und Trost ist mehr als eine gelegentliche Fähigkeit des Menschen, über vertrackte Situationen hinwegzukommen. Beide sind Formen einer spannungsreichen, lebensstiftenden Beziehung. Ein geistvoll getrösteter Mensch muss sich selbst nicht mehr interpretieren als jenes Lebewesen, dessen Los es ist, in unauflösbaren Verhältnissen verstrickt zu sein, sobald ihm die Augen geöffnet werden. Mit dem Heiligen Geist endet das Zeitalter der griechischen Tragödie.