Ich doch nicht

In dem Maße, wie die Zuständigkeiten in Politik und Wirtschaft, Institutionen oder Organisationen unterteilt sind und ihre Anzahl stetig wächst, schwindet die Verantwortung. Sie wird absorbiert von wohlausgeklügelten Prozessen, abgewiesen in seitenlangen Dokumentationen, versteckt hinter leeren Floskeln der Freundlichkeit. Wenn es darauf ankommt, ist es keiner gewesen; verantwortlich sind immer nur die anderen. Ein Großteil der strukturellen Anstrengungen beim Auf- und Umbau von Behörden oder Unternehmen geht in die Versachlichung der Zurechnung: Schuld sind, wenn überhaupt, der Ausfall einer Technik, fehlgeleitete Informationsflüsse, ein System, das in einem unwahrscheinlichen Einzelfall versagt hat. Wo trifft man Verantwortung noch an? Außer in Hochglanzbroschüren als Marketing-Vokabel für eine Haltung, die sich gleich der Gesellschaft, der Umwelt oder des Mitarbeiters im ganzen elegant angenommen hat, vor allem in der Antwort auf die Frage, warum in der Leitung weit über das Durchschnittsmaß hinaus verdient wird. Man habe ja die Verantwortung, heißt es erklärend. Sie ist zur Rechtfertigungsformel für ein Spitzengehalt verkommen.