Keine Zukunft

Ein furchtbarer Gedanke: eine Person in sich selbst zu vernichten, indem man die Erinnerung an sie auslöscht. Und doch ist es manchmal besser, sie zu verdrängen, als an ihr und in ihrer Abwesenheit noch zugrundezugehen. Der Härtefall dessen, was keine Zukunft hat, ist, dass ihm auch die Vergangenheit geraubt werden muss. In der Antike war die damnatio memoriae, die Verdammung des Andenkens, eine Strafe für verachtete und verhasste Menschen, von denen die Nachwelt keine Kenntnis mehr erhalten sollte. Statuen wurden geschleift, Namen aus den Annalen gestrichen, Inschriften zerstört. Was später bei Freud als Wiederkehr des Verdrängten identifiziert worden ist, die oft unwillkürliche und verfremdete Erinnerung an das Vergessene, erlebten aber auch die Vorväter. Selten wurde diese Paradoxie so deutlich wie bei Herostratos, der dadurch unsterblich werden wollte, dass er den Tempel der Artemis anzündete. Auch sein Name sollte getilgt sein, dessen Erwähnung gar unter Strafe gestellt – und vielleicht deswegen ist er zum Inbegriff für eine sinnlose öffentliche Tat geworden.