Kulinarische Moral

Es mögen feinnervige Zungen gewesen sein, die dem Nach- und Beigeschmack über das Kulinarische hinaus ins Sprachbildnerische geholfen haben. Jeder exzellente Wein und etliche Gerichte zeichnen sich ja aus durch den würzigen Abgang oder das Aroma, das sie wohltuend im Gaumen hinterlassen. Die metaphorische Karriere dieser Begleiter des vollkommenen Genusses hat allerdings rasch ihre lukullischen Wurzeln vergessen: Wer heute an den Nachgeschmack denkt, meint meist den schlechten; wer den Beigeschmack einer Sache erwähnt, kennt nur den faden. Auf diese Art reden Menschen, die in ihrem moralischen Urteil so schnell sind, wie sie die Speisen vom Teller schlingen. Da kann sich der Nachgeschmack anders gar nicht entfalten.