Lästig

Es sind die kleinen Indiskretionen, die immer wieder Einblick in versteckte Motivlagen und Anlass geben, ganze Theorien oder Systeme – zwar nicht umzuschreiben, aber – umzudeuten. So findet sich im Tagebuch von Sándor Ferenczi, dem Freud-Gefährten und Neurologen, unter dem 1. Mai 1932 ein Eintrag, der für größeres Aufsehen hätte sorgen können, hätte man es nicht ohnehin geahnt: „Die Patienten sind ein Gesindel.“ So soll es der Meister in privater Runde verraten haben. Der Schüler fügt noch eine Erklärung an, eher als Verlegenheit: Da der Psychoanalytiker ihnen nicht helfen könne, seien die Klienten nur gut als Studienobjekt und treue Begleiter des Geschäftsmodells. Freud hat in seinen letzten Jahren verstärkt Zweifel geäußert an der Wirksamkeit der Psychoanalyse und in einer Abhandlung von einem „unmöglichen Beruf“* geredet. Doch Anlass zur Aufruhr müssen solche Äußerungen wahrlich nicht geben. In der Unmöglichkeit der Profession steckt immerhin der überfordernde, hohe Anspruch dieser Art der Therapie. Und über die unmittelbare Wahrheit des Satzes hinaus, den jeder bestätigt, der mit Menschen intensiv arbeitet, vermittelt die Tagebuchnotiz die Seriosität des Programms: Lästig ist doch nur, was ich ernstnehme.

* Die endliche und die unendliche Analyse, 7. Kapitel. Das hebt an mit dem Bezug auf einen Vortrag von Ferenczi, mit dem Freud sich auseinandersetzt: „Es hat doch beinahe den Anschein, als wäre das Analysieren der dritte jener »unmöglichen« Berufe, in denen man des ungenügenden Erfolgs von vornherein sicher sein kann. Die beiden anderen, weit länger bekannten, sind das Erziehen und das Regieren.“