Machtgewinn, Machterhalt

Es gehört zu den Widersprüchlichkeiten der Demokratie, dass in ihr über die Gewaltenteilung und das Wahlprozedere der Machtgewinn und die Machterhaltung systemisch so komplex gestaltet sind, dass sich viele Politiker beim Erwerb oder deren Verteidigung verausgaben. Für die Durchdringung von Inhalten reicht dann oft die Kraft nicht mehr. Die Erinnerung, dass doch zur Sache geredet und von Sachen gehandelt werden solle, vermag so manchen Politiker aus der Fassung zu bringen und ihm seine eigene Verzweiflung vor Augen zu halten angesichts der ungezählten Rücksichten, die er zu nehmen hat gegenüber Parteitaktik, Verfahrensdisziplin, Proporzdenken, und die ihm alle guten Absichten korrumpiert haben. „ Mir ist sehr wohl klar“, notiert Paul Valéry, „dass sie aufgrund der Erfordernisse ihres Berufsstandes mit einem ziemlich groben Weltbild arbeiten müssen, das nun einmal von derselben Genauigkeit, Breite und von demselben schlichten Zusammenhang ist und sein muss, womit sich das Mittelmaß der Geister zufriedengibt, ist dieses Mittelmaß doch die Hauptstütze jeder Politik. Ebensowenig wie der Tatmensch hat auch die öffentliche Meinung weder Zeit noch Mittel, etwas zu vertiefen.“*

* Werke 7, 378