Neusprech

Spätestens seit George Orwells „Neusprech“, jener politisch geregelten und gestalteten Redeform, die mit eingeschränkter Grammatik das Denken begrenzen und das Bewusstsein verengen sollte, wissen wir, dass ein Sprachwandel die Weltsicht verändert. Das Umgekehrte gilt aber auch: Umbrüche verlangen nach Beschreibungen, die sich mit dem überkommenen Wortschatz nicht genau genug leisten lassen. Welche Sprache braucht die Welt, deren Formen sich fundamental unterscheiden werden von dem, was Gewohntes und Vertrautes übermitteln? Zumindest eine, die ihr schöpferisches Potenzial nicht leugnet, nicht hindert, die experimentiert, ohne zu dogmatisieren, die Komplexität nicht der Klarheit opfert und Deutlichkeit einfordert, wo die Varianten ungezählt sind. Wer gendert, ist weder wahnsinnig, noch löst er das Problem. Aber er zeigt eine Aufgabe an, die sich allenthalben aus der Abgegriffenheit der Begriffe ergibt: Mit dem Wort muss der Gedanke wieder scharf gestellt werden, auf dass er präzise zu sehen gibt, was sich neu einstellt.