Nichts ist alles

In einem berühmten Gespräch mit François Truffaut verrät Hitchcock das Geheimnis der Spannung in seinen Filmen, indem er auf den MacGuffin verweist. Der Meister des gepflegten suspense erzählt augenzwinkernd, dass das Wort ja wohl an Schottland erinnere und man sich dazu folgende Geschichte denken könne: Zwei Männer in der Eisenbahn unterhalten sich; der eine fragt den anderen, was das denn für ein Päckchen sei, das dieser mit sich führe. Daraufhin erwidert der: „Das ist ein MacGuffin.“ Ja, was das denn sei: ein MacGuffin? „Nun, das ist ein Gerät, mit dessen Hilfe man in den Bergen nördlich von New York Löwen jagen kann.“ Aber da gebe es doch gar keine Löwen, wundert sich der eine. „Ach, dann ist es auch kein MacGuffin.“ Hitchcock fasst zusammen, das Wichtigste, das er im Lauf der Jahre gelernt habe, sei, dass der MacGuffin überhaupt nichts ist.* Und beschreibt damit das Wesen guter Unterhaltung: Am Ende bleibt nichts als das Gefühl, gut unterhalten worden zu sein. Die Wirkung ruht auf keiner Wirklichkeit. Vielleicht haben viele unserer großen Wörter genau diese Eigenschaft: Sinn, Freiheit, Geld, Würde – größten Effekt bei geringster Essenz.

*Beispiele für ein MacGuffin: der Teppich im Film „The Big Lebowksi“ oder der Geldkoffer in „No Country for Old Men“.