Paralyse, Paradox, Passion

Die Widersprüchlichkeiten des Lebens sind nicht Widersprüche gegen das Leben. Und doch hindern sie es zuweilen, wenn der Versuch, aus ihnen herauszufinden, nur immer weiter in sie hineintreibt. Organisationen kennen solche Paradoxe zuhauf: wenn zwei Anspruchsnehmer, der Anteilseigner und der Kunde, gleichermaßen Leistung fordern, die aber unterschiedlich bewertet wird, so dass unzufrieden macht, was den anderen beglückt. Zwischen Effizienz und Innovationszwang, zwischen Flexibilität und Orientierungsbedürfnis, zwischen solchen Polaritäten können Menschen die Lebendigkeit eines Unternehmens erfahren oder dessen Lähmung. „Doch soll man vom Paradox nichts Übles denken; denn das Paradox ist des Gedankens Leidenschaft, und der Denker, der ohne das Paradox ist, er ist dem Liebenden gleich, welcher ohne Leidenschaft ist: ein maßiger Patron.“* So führt Sören Kierkegaard in jene logische Figur ein, die ihm zum Beschreibungsmaßstab wird für jenes Geschehen, das die Christenheit mit Beginn der Passionswoche an Palmsonntag und in der Osterzeit feiert: Gott, der menschlicher nicht zu nennen ist, wenn er für alle stirbt, und göttlicher nicht erscheint, wenn er als der eine für alle ein für allemal den Tod überwindet. Das ist paradox. Und nicht allein des Gedankens Leidenschaft. Gegenüber dem Paradox gibt es nur die Alternative Erschöpfung oder Erlösung.

* Philosophische Brocken, Gesammelte Schriften, 10. Abt., 35