Publikumswirksam

Über die Rolle des Publikums in der Arena, einer Ausstellung oder im Theater ist mannigfach geschrieben worden. Es sei der zwölfte Mann, heißt es bei der Mannschaft, die bei einem Fußballspiel des Heimrechts wegen sich zuverlässig auf die lautstarke Unterstützung durch tausend heisere Kehlen stützt. Dessen Applaus sei das Brot des Künstlers, mit dem auch gern die Honorarabteilungen der Bühnen kompensatorisch rechnen, wenn sie ihn bei der dürftigen Bezahlung der Schauspieler eingepreist haben. Nur im miesepetrigen Deutschland gilt der Schönspieler, der „für die Galerie“ seine Kabinettstückchen zeigt, als abschätzige Figur auf dem Sportfeld, als ob es nicht Lust und Freude bereitete, wenn mit dem Ball Verblüffendes gezaubert wird. Für wen das also alles geschieht? Ohne Zuschauer auf den Rängen, ohne das kaum unterdrückte Grummeln in den Reihen oder das eruptive Auflachen im Saal, das anerkennende Kopfnicken bei einer Vernissage ist die Darstellung des eigenen Könnens so unvollendet wie ein ungeküsster Schmollmund, dessen Lippen mit der Zeit spröde geworden sind. Das Publikum ist Teil des Spiels, wozu auch die heimliche Verachtung der Akteure gehört denen gegenüber, die nur zuschauen. „Ich meine, ganz unrecht hat ein Publikum ja nie“, schrieb schon Hugo von Hofmannsthal an Richard Strauss, zu dessen Opern er die Libretti beigesteuert hatte*. Geisterspiele, wie jetzt verordnet, nehmen dem Spiel den Geist.

* Briefwechsel, 112