Sieben auf einen Streich

Kann man erklären, was man nicht versteht? Muss man verstehen, was man nicht erklären kann? Der deutsche Trainer sagt, dass der Gegner Brasilien im Vorhinein genau analysiert worden sei, und versucht so eine Erklärung. Ob er das Ergebnis auch versteht? Die Unterscheidung zwischen Erklären und Verstehen stammt aus der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Mit ihr sollte der Streit zwischen den Methoden der Naturwissenschaften und denen der Geisteswissenschaften befriedet und deren je anderer Weltzugang auf den Begriff gebracht werden. Es ist eine unglückliche Differenz, die nie so recht passen wollte. Schon bei Max Weber findet sich der Abstand zwischen beiden Kategorien wieder eingeholt. Er kennt das erklärende Verstehen: „‚Erklären‘ bedeutet also für eine mit dem Sinn des Handelns befasste Wissenschaft soviel wie: Erfassung des Sinnzusammenhangs, in den, seinem subjektiv gemeinten Sinn nach, ein aktuell verständliches Handeln hineingehört.“* Diese Dimension hat die Spieler unmittelbar nach dem historischen Halbfinalsieg naturgemäß überfordert. Aber es herrschte dennoch eine Ahnung vor, dass ein 7:1 gegen den großen Gastgeber mehr ist als nur ein Ergebnis, das den Einzug ins Endspiel bedeutet. Da war Sensibilität verlangt, bei jedem Wort der Interpretation. Es war dem deutschen Mannschaftskapitän vorbehalten, den richtigen Ton zu treffen. Mitleid, sagte er, sei im Fußball fehl am Platz. Aber Mitgefühl empfänden er und das ganze Team. Und er fand damit genau jene Haltung, die einfach versteht, ohne dass auch nur einer etwas erklären müsste.

*Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Erster Teil, I, § 1, I.5