Tat und Täter

Unser Rechtssystem ruht auf der strikten Unterscheidung (nicht: Trennung) zwischen Tat und Täter. Sie macht erst möglich, eine Handlung jemandem verantwortlich zuzuschreiben, also anzunehmen, dass er sich hätte auch anders stellen können zu einer Situation. Erst diese Freiheit erlaubt einer Gesellschaft, sich das Recht ihrer Freiheit herauszunehmen, ihn eines Vergehens zu überführen und zu bestrafen. Wenn Hegel in seiner Rechtsphilosophie schreibt, dass in der Strafe „der Verbrecher als Vernünftiges geehrt“* wird, dann überweist er der entsprechenden Ahndung die Funktion, den Täter davor zu bewahren, seine Tat loswerden zu müssen, auch wenn er sich von ihr lossagen sollte. In der Strafwürdigkeit seiner Handlung kann er sich als Subjekt unter versöhnten Bedingungen wiederfinden. Eine Abspaltung (und sei sie psychologisch) ist nicht nötig. Erst die Strafe erlaubt, was in der Vorstellung von der Würde des Menschen als Denkfigur angelegt ist: dass wir nicht in unseren Wirkungen aufgehen, obwohl wir uns selber erst finden, indem wir wirken.

* Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 100. – Fritz Mauthner hat diesen Passus, ihn leicht variierend – „die Strafe ist das Recht des Verbrechers“, als ein „bodenlos frivoles, ja infam witziges Wort“ bezeichnet. (Wörterbuch der Philosophie. Zweiter Band, Kapitel 55, IV)