Um eine Armlänge voraus

Im übervollen Zug sitzen sie nebeneinander, Glück gehabt, überhaupt einen Platz zu bekommen. Beim Startbahnhof fragte er schon, ob neben ihr noch frei sei. Stumm verbringen sie lesend Hunderte von Kilometern, teilen sich die Lehne zwischen den Polstern und den knapp bemessenen Fußraum. Da berührt er sie unwillkürlich mit seinem Ellbogen. Ihm ist das peinlich. „Nein“, sagt sie, „ich muss mich entschuldigen, ich bin Ihnen zu nahe gekommen.“ Er blickt auf, sieht sie; es durchfährt ihn. „Schade“, erwidert er. „Was? Dass ich zu weit rübergerutscht war?“ „Dass Sie das gesagt haben. Irgendwie bin ich froh, dass Sie mir ein Stück nahegekommen sind.“ Sie unterhalten sich über das Anecken, ausgefahrene Ellbogen, Machtkämpfe. Als er aussteigen muss, bittet er vorsichtig um Ihre Telefonnummer. „Jetzt sind Sie mir doch noch zu nahe gekommen“, meint sie und deutet lächelnd zum Ausgang: „Sie müssen aussteigen. Sonst ist der Zug abgefahren.“