Unentschieden

Das Unentschieden als Resultat zu akzeptieren, ist ein Vorrecht etlicher Sportarten, die mit dem Abpfiff, der beschränkten Geltung des Regelernstes, dem Spiel überhaupt erst seinen Charakter als lebensähnlichem Wettkampf geben. Keinen Sieger bestimmen zu können, und das zu akzeptieren, ist nur denkbar, wenn der Respekt vor der Zeit, und somit der Endlichkeit, groß genug ist und die Achtung der Fairness als unumstößlich gilt. Die Befristung zwingt zu einem Ergebnis; das Reglement nötigt, es nicht mit unlauteren Mitteln herbeizuführen. Beides bedingt einander. Wo dennoch am Ende eine Nummer eins zu küren ist, sieht die Ordnung eine Ausnahme vor, als besonderen Regelfall: das Elfmeterschießen, den sudden death, den Losentscheid. Ob die Politik daraus lernen könnte für alle Ausweglosigkeiten ihrer demokratischen Verpflichtung? Demokratie kennt den Sonderfall des Patts, das kollektive Unentschieden bei noch so großer individueller Entschiedenheit. Aus genereller Furcht vor der Zwangsherrschaft entzieht sie sich, freilich à la longue vergeblich, der Diktatur der Zeit und pflegt das Ideal gewaltfreier unendlicher Kommunikation, die allerdings nur so lang ideal ist, wie nichts zur Tat drängt. Statt zu handeln, wird weiter verhandelt. England macht gerade vor, wie geht, was nicht geht (das endlose Reden), und nicht geht, was gehen sollte (das entschlossene Handeln). Nur, dass dieser Status der Unschlüssigkeit kein fortgesetzter Zustand sein kann im Politischen, einem Metier, das sich um nichts anderes kümmert als die sinnvolle Organisation des gemeinsamen Agierens. Es wird ausgehen wie Spiele, in denen der Respekt vor der Zeit verlorengegangen ist. Um ein Unentschieden zu vermeiden, werden schließlich auch die Regeln missachtet.